Botanik und Klassifikation der Rispenhirse
Botanik
Der Begriff Hirse ist eine Sammelbezeichnung, die eine Anzahl von verschiedenen kleinkörnigen Getreidearten umfasst. Die Rispenhirse, Panicum miliaceum L., gehört botanisch zur Ordnung der Gräser, Poales, zur Familie der Gramineae, zur Unterfamilie der Panicoideae.
Die Unterfamilie der Panicoideae besteht aus dem Tribus der Paniceae und dem Tribus der Andropogoneae (Sorghum-Hirse). Der Tribus der Paniceae beinhaltet rund 80 Gattungen, die besonders in den tropischen und subtropischen Zonen beider Erdhalbkugeln verbreitet sind. Die weltweit wichtigsten Gattungen sind Panicum, Setaria, Pennisetum, Echinochloa, Eleusine, Digitaria, Eragrostis und Paspalum. Ihre jeweils hauptsächlich kultivierten Arten zeigt folgende Übersicht:
lateinische Bezeichnung |
deutsche Bezeichnung | andere Bezeichnungen | ||
Panicum miliaceum |
Rispenhirse, Echte Hirse | Proso-, common-, hog-, broomcorn- millet | ||
Panicum sumatrense |
Kleine Hirse | Little millet, Kutki, Samai | ||
Panicum virgatum L. |
Swith grass, Losnoje | |||
Panicum maximum Jacq. |
Guinea Grass, herbe de quinee, capim de Angola | |||
Panicum repens L. |
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Creeping millet | ||
Panicum barbinode Trin. |
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Para grass | ||
Panicum texanum Bucl. |
Texas millet, Colorado grass | |||
Pennisetum glaucum (L.) R.Br ( P. typhoides, P. americanum ) |
Perlhirse, afrikanische Hirse | Pearl millet, Cattail millet, Bajra, spiked millet, sanyo, munga, seno | ||
Pennisetum purpureum |
Elefant Grass, Napier Grass | |||
Setaria italica L. Pal. Beauv. |
Kolbenhirse, Welscher Fen- nich | Foxtail millet, Italian millet, kangni, navane | ||
S. italica ssp. moharia |
Kleine Kolbenhirse | Mohar | ||
S. italica ssp. media |
Mittlere Kolbenhirse | |||
S. italica ssp. maxima |
Große Kolbenhirse | Tschumis | ||
Echinochloa frumentacea L. |
Japanische Hirse | Barnyard-, Japanese millet, Paisa, Sawa, kweichou | ||
Echinochloa colona L. |
Schamahirse | Jungle rice, Shama | ||
Eleusine coracana L.Gaertn. ssp. coracana |
Fingerhirse | Finger millet, Ragi, Dagussa, | ||
Paspalum scrobiculatum L. |
Kodo-, Ditch millet, varagu | |||
Eragrostis tef ( Zucc. ) |
Teff | |||
Digitaria iburua Stapf |
Fonio |
Die sehr verschiedengestaltige Gattung Panicum hat eine weite Verbreitung auf allen Kontinenten und beinhaltet mehr als 500 Arten. Zur Korngewinnung wird hauptsächlich Panicum miliaceum L. - die Rispenhirse - kultiviert. Ähnlich anderen Getreidearten besitzt sie eine breite genetische Vielfalt und ist in Eurasien von kühl-temperiert (Nordrussland) über heiß-kontinental (Zentralasien) bis monsunklimatisch (China) an unterschiedlichste Öko- bzw. Klimazonen angepasst.
In Abhängigkeit der Stellung der Äste zur Hauptachse ist die Dichte der Rispe verschieden ausgeprägt. Jeder Rispenast 1. Ordnung verzweigt sich in Äste 2., 3. oder 4. Ordnung, an deren Ende die Ährchen inseriert sind, wobei die Äste im unteren Teil der Rispe stärker verzweigen als im Oberen (Abb. 1). Die Ausrichtung der Rispenäste ist entweder nur nach einer Seite oder aber auch nach allen Seiten gegeben (siehe Bilder). Ist Anthozyan vorhanden, weisen die Rispenäste eine Lilafärbung auf .
Ährchen:
Die Form des Ährchens ist entweder länglich-eiförmig, eiförmig oder rund nach oben hin zugespitzt mit einer Länge von 3 – 6 mm und einer Breite von 2 – 4 mm (Abb. 2).
Das Ährchen ist langgestiehlt und zweiblütig, wobei die untere Blüte meist auf die äußere Spelze reduziert ist. Dadurch erscheint das Ährchen mit 3 Hüllspelzen. Diese sind unbegrannt
Blüte:
In jedem Ährchen existieren 2 Blüten, aus denen zumeist nur eine befruchtet wird – die Obere. Die untere Blüte wird reduziert, aber in seltenen Fällen, insbesondere in feuchten Jahren wird auch diese normal ausgebildet und befruchtet, so dass sich 2 Früchte im Ährchen finden.
Die Einzelblüte ist zwittrig und wird von je einer Vor- und Deckspelze umgeben. Die Deckspelze umschliesst teilweise die kapuzenförmige Vorspelze. Beide sind hellgrün gefärbt, schließen das Hirsekorn zur Reife fest ein und nehmen eine varietätentypische Färbung an. Die Blüte enthält drei bräunlich oder rot gefärbte Staubbeutel. Die Fruchtknoten sind mit zwei langgestreckten, gefederten, purpurroten Narben ausgestattet. An der Blütenbasis befinden sich zwei fleischige Lodiculae (Abb. 1).
Die Spelzen sind zur Reife glatt, stark verkieselt, glänzend, hart, spröde und umschliessen das Hirsekorn fest. Die Frucht liegt frei in den Spelzen.
Vom Bespelzungstyp unterscheiden sich 2 Gruppen Rispenhirsevarietäten, eine grobspelzige mit 10,0 – 20,0 % Spelzanteil am Korn und eine feinspelzige mit 5 – 9 % Spelzanteil. Spelzen der grobspelzigen Formen bestehen aus 5 verdickten Zellschichten mit varietätentypischen Farbpigmenten. Die Spelzen der feinspelzigen Formen besitzen sehr feine, leicht faltige Zellschichten. Deren Farbe ist immer weiß, fast durchscheinend.
Das Hirsekorn (entspelzt) ist annähernd kugelförmig, leicht zusammengedrückt mit glatter Oberfläche ohne Längsfurche. Der Keimling ist im unteren Teil des Korns eingebettet und nimmt rund 25 % des Gesamtvolumens ein. An der Basis der Hirsefrucht, gegenüberliegend vom Keimling befindet sich ein kleiner Fleck, je nach Varietät hellbraun bis fast schwarz gefärbt – der Verbindungsansatz zum Rispenast.
Halm / Blatt:
Der Halm der Rispenhirse ist innen mit Mark ausgefüllt, im Querschnitt annähernd zylindrisch und zumeist in 5 – 7 Halmglieder (Internodien) unterteilt. Die Halmglieder sind an der Seite der Mittelnerven ihres Blattes abgeplattet, mit, ausgenommen das oberste Halmglied, einer rinnenartigen, verschieden weiten Höhlung. Die Länge der Internodien steigt vom unteren Teil des Halmes zum oberen an; von 2,5 – 5,0 cm bis 15,0 – 40,0 cm. Alle Halmglieder, außer das Oberste, sind mit feinen auf kleinen Höckern inserierten Haaren besetzt. Die Halmknoten sind mit einer höheren Anzahl, aber kürzeren Haaren besetzt.
Meistens erreicht die Halmlänge der Hirsepflanzen 80,0 – 120,0 cm. Dicke und Stärke des Halms sind bei den verschiedenen Sorten mit einer Schwankungsbreite von 2,0 – 8,0 mm ungleich ausgebildet. Bei hinreichendem Nährstoffangebot erfolgt eine ausgeprägte Bestockung, wobei unter gewöhnlichen Feldbedingungen 1 –3 produktive Halme ausgebildet werden. Im Unterschied zu anderen Getreiden, bildet Rispenhirse ähnlich wie die Maispflanze Seitenzweige aus, die aus Knospen, welche im unteren Teil der Halmknoten inseriert sind entspringen.
Die die Halmglieder in der Länge annähernd zur Hälfte umgebenden Blattscheiden sind offen und mit verschieden langen, relativ rauen Haaren besetzt, die ebenfalls auf kleinen Höckern inseriert sind. Blattöhrchen fehlen. Ein Blatthäutchen ist vorhanden, aber nur sehr schmal und zerfasert . Die Blattspreite ist linien-lanzettförmig, längszugespitzt mit ausgeprägter Längsbenervung und in verschiedenem Grad herabhängend. Die Länge der Spreiten der unteren Blätter variiert sortenspezifisch zwischen 1,0 – 4,0 cm, die der oberen Blätter zwischen 18,0 – 65,0 cm; die Breite der unteren Blätter zwischen 0,5 – 1,0 cm, die der Oberen zwischen 1,5 – 4,0 cm.
Wurzelsystem:
Das Wurzelsystem der Rispenhirsepflanze verteilt sich in mehr oberflächennahen Bodenschichten und weist eine geringe Wurzeldichte und Wurzeltiefe auf. Damit ist sie wie die anderen Getreidearten der Gruppe der Büschel- und Krumenwurzler zuzurechnen.
Hirse entwickelt so genannte Kronen- oder Adventivwurzeln, die ähnlich den Maiswurzeln übereinander liegende Wurzelkränze bilden (Abb. 4). Da die Ansätze der Kronenwurzeln im Bereich der Halmknoten wie beim Mais von Anbeginn festgelegt sind, können auch aus oberirdischen, bodenoberflächennahen Knoten Wurzelstränge ausgetrieben werden. Deren Ausbildung wird durch Heranführen von Erde an den unteren Stengelbereich durch Anhäufeln gefördert. In der Reihenfolge ihrer Entwicklung werden diese Wurzeln 1., 2. usw. Ordnung genannt, wobei Rispenhirse bis zu 7 Ordnungen ausbilden kann.
Im Mittel erreicht die Mehrheit die Rispenhirsewurzeln 1. und 2. Ordnung eine Tiefe von 70 – 90 cm, wobei einzelne den Boden bis in eine Tiefe von 120 - 130 cm durchdringen können. Wurzeln höherer Ordnung sind in ihrer Ausdehnung zumeist auf den oberen Bodenhorizont beschränkt. Die horizontale Ausbreitung kann im Diameter bis 100 cm erreichen.
Klassifikation
Unter den Getreiden zeichnet sich Rispenhirse durch die größte phänotypische Mannigfaltigkeit aus, ausgedrückt insbesondere in dem Typ der Rispe und der Farbe der das Korn umgebenden Spelzen.
Die Art Panicum miliaceum L. wird auf Grundlage des sich stabil vererbbaren Merkmals Rispentyp in 5 Unterarten eingeteilt. Die Definition des Rispentyps erfolgt über das Vorhandensein oder Fehlen von zapfenartig verdicktem Zellgewebean der Basis der Rispenäste vor allem 1. Ordnung , der Länge der Rispe, der Länge der Rispenäste, dem Stand der Rispenäste zur Hauptachse, der Stellung der Rispe sowie ihrer Dichte.
Folgende Unterarten (Rispentypen) werden unterschieden:
In den Grenzen jeder einzelnen Unterart gliedert sich Rispenhirse botanisch in Varietäten. Grundlage für diese Gliederung sind folgende Merkmale: die Korn- (Spelz-) farbe, der Typ der Bespelzung und das Vorhandensein oder Fehlen von Anthozyanfarbstoff (lila) an Ährchenstielen und Hüllspelzen.